Unter dem Gesetz

@fabiansteinhauer / fabiansteinhauer.tumblr.com

Zettelkasten, Schaufenster und Schirm
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Robert Oppenheimer

Philippe Halsman, 1958.

Zügige Formen

Oppenheimer wiederholt eine Pathosformel, die auf Tafel 79 als Figur eines Begehrens, der Hoffnung, verkehrter Opferung und des Verzehrens durchgearbeitet wird, die bei Cesare Ripa 1608 als Querela bezeichnet und noch auf Kollwitz' Plakat Nie wieder! wiederkehrt. 1958 greift Wind, Edgar Wind die Geschichte der Transzendenformeln in seinem Buch über pagane Mysterien auf und nennt die Vorstellung, dass Transzendenz der Ursprung von Balance sei, eine extreme Spitzfindigkeit. Wie sagte Hans Rosenthal bei Verwendung entsprechender Pathosformeln, bei zügigen Formen und Dalli-Dalli? "Wir sind der Meinung, das ist Spitze!"

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Pole, der Kardinal und das Scharnier, oder: zwei Letter auf den Staatstafeln von Aby Warburg

1929 legt Aby Warburg mit zwei Tafeln des Mnemosyneatlasses (78,79) nach 33 Jahren Studium die Summe einer Bild- und Rechtswissenschaft vor, die Bild und Recht in ihren unbeständigen (d.h. systematisch unruhigen und unstillbaren), meteorologischen und polaren Anlagen begreift. Warburg entwirft gleichzeitig eine Wissenschaft normativer, kooperativer und rekursiver Praxis um den Begriff des 'Distanzschaffens' herum. Er ist damit einer der Vorgänger jener normativen Wissenschaften, die Normativität nicht unbedingt deontologisch oder wertvoll oder als Verbindlichkeit begreifen, unbedingt aber über Manöver oder Regungen/ Bewegungen, die trennen und assoziieren. Kurz gesagt: wir machen uns Warburg zum Vorbild der Forschungen zu juristischen und juridischen Kulturtechniken.

Auf den beiden Tafeln spielen minore Objekte eine Rolle, die etwas lassen, in dem sie gelassen sind. Mein Vortrag gilt dabei zwei stäblichen Objekten, nämlich einem Kardinal (einem Scharnier-Subjekt) (Tafel 78) und einem Pol (einer Kolumne aus ingesamt 7 Täfelchen/ Fotos von schwingenden und pendelnden Zügen, die man in der Mitte von Tafel 79 als Scharnier der Verkehrbarkeit von Pathosformeln findet).

Beide stäblichen Objekte polarisieren, indem sie polarisiert sind. Polarisierung versteht Warburg nicht als Spaltung eines vormaligen Zusammenhangs, sondern als Operationalisierung von Polarität, dabei als Distanzschaffen, das verkehrt – und insofern diplomatisch oder kreditierend (schätzend und ansehend) sein kann. Der Beitrag zielt darauf, Polarität/ Polarisierung nicht als das zu Vermeidende, Inkommensurable und Ausgelagerte des Rechts zu begreifen, sondern als systematisch unruhige und unstillbare Regung dessen, was auch dann Recht sein soll, wenn es nicht nur Recht ist. Polarisierung ist insofern für Warburg nicht unbedingt eine Kardinaltugend oder Todsünde, aber unbedingt eine Kardinaltechnik oder Scharnierkunst.

Abstract für meinen Vortrag auf der Tagung Letters, oder: Objekte, die lassen (6.Mai bis 8. Mai 2024, MPI Frankfurt am Main)

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Nuova Sciencia

Neue Wissenschaft nennen wir Wissenschaft mit Machbarkeitswahn, allerdings nennen wir diese Wissenschaft schon seit langem neu, nämlich seit Giambattista Vico, dessen Wissenschaft demjenigen Machbaren galt, das man auch dann Kultur nennt, wenn es Natur involviert und Natur händelt, zum Beispiel Hunde, Austern oder die Art penicillium roqueforti, einen Schimmelpilz.

Die Figur des Machbarkeitswahns ist ab und an einer jener seltsamen aktuellen (modischen oder voguen) roten Linien, die markieren sollen, was ein mit apokalyptischem Bräu gefülltes Heidelberger Faß angeblich zum Überlaufen bringt. Die Passage in dem Wort und dem Begriff, zu der wir forschen ist bar, eine Passage oder Aporie, die das normale Machen vom wahnsinnigen Machen trennen soll, gleichzeitig beide assoziiert und die damit einen jener Züge bildet, die vague und vogue trennen und assoziieren.

Angeblich sei die Genderforschung im Machbarkeitwahn, sagen genau die richtigen, nämlich die, die bisher nicht zum römischen Recht und zur Teilung der Geschlechter geforscht haben, darum Dogmatik mit Natur verwechseln und glauben, bisher seien die Geschlechter wie auf Bäumen natürlich gewachsen und wie Meteore mit fremdem Leben vom Himmel auf einen toten Planeten gefallen. Man hat Geschlechter seit antiken Zeiten mitgemacht, kooperiert normativ und rekursiv bei der Teilung der Geschlechter, aber nur, weil Silke Maiers Bart einem nicht passt, soll es pötzlich nur noch wahnsinnig und nicht mehr normal sein. Der sogenannte Genderwahn ist so alt wie die Teilung der Geschlechter, denn schon immer ist die Welt dem Menschen durch Trennung und Assoziation gegeben. Der anderer Name dieses Wahns ist Dogmatik. Die Welt ist technisch und dogmatisch, seitdem sie erscheint, in dem sie geladen wird - vor den Augen und allen anderen, immer geteilten Sinnen. Die Geschichte der Teilung der Geschlechter, und sei das das nicht Teilung der Gattung Mann und Frau sondern die Teilung der Gattung Kultur und Natur ist das, was in den Details kontrahiert und distrahiert. Das ist ein sedimentäres und aufrührbare Geschichtes, in dem schon minore Objekte, zum Beispiel kleine und kurze Züge, trennen und assoziieren, was unterschieden sein soll. Ob es auch ein System dafür gibt, so etwas wie Die Gattung der Gesellschaft? Kann sein, das könne wir nicht ausschließen, nur: wie forschen gerade zum Kurzatmigen, zu Kurzatmigen der Gesellschaft, zu minoren Objekten, denen das je Langwierige und je Langweilende leicht aufgestempelt wird.

Zur Pierre Legendres asymmetrischer Anthropologie und asymmetrischer Dogmatik gibt es weitere Entwürfe, wie etwa Eduardo Viveiros des Castros und Bruno Latours symmetrische Anthropologie und Aby Warburgs symmetrische Dogmatik, deren Symmetrie elliptisch kreist und damit etwas von dem Schlag/ Streich hat, den Werner Hamacher afformative nennt, weil die Züge dieser Schläge und Streiche keiner Leere und keiner reinen Negation aufsitzen, sondern Verkehrungen.

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Curb Your Enthusiasm: Larry Taps a Stranger

Muscellini, Mousse au Lini

Das Verzehren der Geschichte: so könnte man Tafel 79 auch bezeichnen, wenn man diese Passage mit ihren Ausführungen zu Mussolini und melancholischer Gabe nachtragen würde, nachträglich also an diese Tafel pinnen würde. Die Letter können Fleisch sein.

Larry taps a stranger, wenn dieser fantastische Titel einer Passage zur sagenhaften, plauderhaften und stimmstörenden Technik der Verfremdung nicht mal stimmt. Der tapst nicht nur, der nimmt auch auf und fesselt. He taps and tapes. Der russische Formalismus lebt in L.A. nach, in gewisser Hinsicht nach dem Gesetz, wie Shklovskij und Kuleshov schon einmal in einem Western, diesmal einem letzten Revolutionsfilm des Westerns 1926 gesagt haben.

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Argumentum

Bilder regeln. Darin steckt ein Gerücht, etwa das, dass Bilder nun das Recht bestimmen würden aber das Recht nicht mehr die Bilder. Darin steckt eine Norm, die das Gerücht aufgreift und umwendet, aus der Möglichkeit eine Übernahme eine Wendung macht, einen U-turn, mit dem die Juristen dann die Bilder in den Griff kriegen sollen, indem sie sie begreifen sollen.

Warburgs Methode als Bildwissenschaft zu bezeichnen ist die zügige Beschreibung einer Wissenschaft, die nicht nur das Bild betrifft. Bildwissenschaft ist auch Wildwissenschaft, wenn diese Wissenschaft das entweder unbeugsame oder wendige eines Objektes, das nicht biegsame oder allzu biegsame (Warburg) eines Objektes analysieren und kritisieren soll. Warburg nutzt nicht nur Bilder, die pendeln, sondern auch logos, der pendelt und Worte, die pendeln. Er nutzt nicht nur Bilder wie die einer Frau, die in erregter Geste ein Opfer begehrt, mit dem Opfer verkehren will und das Opfer verzehren will, indem er dieses Bild betrachtet und beschreibt. Er nutz das Bild auch, indem er es spiegelverkehrt reproduziert, als Schablone umkippt, indem er also die Form verkehrt oder umkehrt - und damit zeigt, dass das Vague nicht leer oder unbestimmt sein muss, sondern eine präzise Verkehrung, ein präzises Begehren und präzises Verzehren sein kann. Er zeigt damit nicht nur, wie schöne Form zu häßlicher Form wird, er zeigt auch, dass der Trakt der Liebe und der Trakt des Hasses der Form und Regung nach das Selbe durchzieht und Unterschiede durchzieht. Lawspeech/ Lovespeech/ Hatespeech: das spricht auf Tafel 79 uns an, wenn wir was von Liebe oder vom Hass loswerden wollen und dann anderen sagen, sie würden nicht genug lieben oder zu sehr hassen.

Obschon Warburg auf Tafel 79 eine Spiegelung nutzt, arbeitet er nicht im Paradigma des Spiegels, wie das Legendre macht. Das liegt daran, dass Warburg nicht das römische Bild im Sinne hat, das Legendre im Sinne hat. Warburg hat nicht die Referenz im Sinne, die eine Abwesenheit überbrücken soll und einen Abgrund bewältigen oder meistern soll. Sein Dispositiv ist das Kreditgeschäft, der Wechsel - Händel, der unversicherbar bleibt und an dem nichts garantiert ist, bei dem mit allem gerechnet werden muss.

2.

Das Argument ist eine Gliederung des Körpers, die reicht und regt, die mit Angaben, die angeben und die in aller Kürze reichen sollen, um den Text zu regieren. Ein Argument zieht, gibt jenen Zug, den der Text braucht, um sein Überzeugendes zu zeigen, ihn bezeugen zu lassen, dass Sinn macht, was der Text macht. Das ist nicht meine Idee, das habe ich aus den Ergebnisse der historischen Forschung von Carsten-Peter Warncke geschlossen, den ich in Bildregeln zitiere. Er hat zur Bildrhetorik der frühen Neuzeit geschrieben ("Sprechende Bilder - Sichtbare Worte). Warncke zitiert Texte, in denen mit dem Begriff argument Bilder gemeint werden, die als Gliederung dem Text vorausgehen. Das Argument ist nicht unbedingt das, was Geschrieben ist oder gesagt wird, besteht nicht unbedingt aus Worten. Es kann auch aus Bildern und aus Körpern aus Fleisch und Blut bestehen. Unbedingt besteht es aus Lettern, aus minoren Objekten, die lassen, indem sie gelassen sind, deren Lassen also Aktion und Passion umfasst, die insofern als Akt und Pathosformel sichtbar (bar jeder Sicht und Bar jeder Sicht) erscheinen.

Warburgs Methode leitet dazu an, solche Letter zu wenden, die spontan als Bild registriert werden, und solche Letter zu wenden, die spontan als Wort erscheinen. Eines davon ist ein Bild, das auf europäischen Wegen zum Wild wird, wie das B auf dem Weg nach Spanien zum W wird oder wie das Wissen auf Wegen zum Weisen, aber auf einem Weg auch zu vis und anderem Weg zu visio wird. Das Wort Recht wird zum Reich, zum Reigen, zum Regen. Das sind Pendelstrecken, die aus einem Distanzschaffen resultieren, mit dem man die Distanz, die man schafft, nicht zurücklegt. Man sagt etwas vom Recht, um etwas loszuwerden, haftet aber daran und haftet dafür. Was daran plausibel ist, ist energetische Inversion, nicht nur in der Situation eine Wende, oder: Kontrafaktur. Das ist kein altes Thema von mir, das ist mein durchgehendes Thema, man hat nur eins im Leben.

3.

Bilder, wie alle Objekte der Forschung zur Recht und Kulturtechnik, definiere ich normativ, kooperativ und rekursiv. Man spricht in Bildern über Bildern, selbst wenn man Bildbegriffe auf der Seite des Begriffes registriert, nicht als Metaphern registriert, aber dasjenige, was sie wiedergeben sollen, auf der Seite der Bilder und Metaphern registriert. Man schreibt graphisch über Fotografie und anderen Graphiken und mit Lettern über Letter. Solche Definition kreuzen, durchaus auch im Sinne des Formkalküls, das Spence-Brown formuliert hat. Dass ich heute zu Kulturtechniken forsche und nur darüber auch zu Systemen, liegt nicht daran, dass ich die Ideen zur Referenz, zur Normativität, zu Operationen und Rekursionen nicht hilfreich oder gar falsch finde. Das liegt an Widerständen der Systemtheorie (Koschorke/ Vismann). Das liegt an Doppelbewegungen (Pendel), die ich beobachte, seitdem ich Mühlmanns Arbeiten kenne (der Bewegungen über die Skalen rhetorische Stile und mit dem Begriff decorum beobachtet) und noch mehr, seitdem ich Vismann Doppelbewegung beobachte, nämlich die Bewegung, eine Referenz groß und klein zu beschreiben. Ich kann nicht widerlegen, dass es Gesellschaften gibt, deren Differenzierungen aus sind und aus gehen, kann nicht widerlegen, dass es dort Fähigkeiten gibt, anzuschließen und Unfähigkeiten, anzuschließen. Ich kann nicht widerlegen, dass es Gesellschaften gibt, die sich am Ende glauben und glauben, sie könnten sich schließen oder begrenzen und die glauben, siee können sich öffnen oder ins Offene. Ich kann die Thesen von der Ausdifferenzierung nicht widerlegen, nicht die von der kontrafaktischen Stabilisierung, den kybernetischen und evolutionstheoretischen Schleifen einer lebendigen Selbsterhaltung. Meine Frage gehen in eine andere Richtung, dorthin, wo das Recht unbeständig (durch wechselnden und austauschbaren Bestand) meteorologisch und polar erscheint und wo Gesellschaften wie Personen keine sichere und garantierte Referenz vorweisen können, auch gar nicht vorweisen wollen, also nicht unbedingt Recht haben wollen, sondern Recht auch umgehen wollen; wo sie nicht unbedingt Politik haben wollen, sondern, weil Politik ihnen plötzlich häßlich erscheint, Politik loswerden wollen und damit einen Begriff des Politik entwickeln, der das polaroide an der Politik kaschiert und gleichzeitig polizid wirkt, also mit dem Begriff der Politik Politik killt, mit Recht Recht killt und mit Bildern Bilder killt. Wenn Juristen antijuridisch operieren (was sie tun können, seitdem es Juridismen gibt) und Recht zuviel wird und sie ein Recht auf Nichtrecht fordern, dann frage ich nach der Geschichte, unter anderem nach den Wendungen, warum ihnen jetz das Recht zuviel wurde, obwohl das Recht doch spätestesten seit dem 11. Jahrhundert wissenschaftlich zu allem, aber wirklich allem in und außerhalb der Welt sic et non sagen kann und das Recht scheint in alles involviert ist, seitdem es Recht gibt. Die Wendung interessiert mich als das Polaroide. Auf einer Tagung zu einem Recht auf Nichtrecht habe ich Warburgs Tafeln vorgestellt, um die Archäologie platischer zu machen, um die seismischen Effekte derer, denen in Angesicht von AfD und Flüchtlingen, Geldflut oder Bilderflut plötzlich das Recht zu viel wird und denen plötzlich die Welt fragmentiert erscheint, als sei sie früher ganz gewesen und jetzt nicht mehr. Recht auf Nichtrecht gibt es, das ist Geschichte und Stratifikation von Rechten und Rechthabern, die aufsitzen. Ich kann nicht widerlegen, ich kann aber protokollieren und kommentieren, kann sogar kreditieren, also mustern und abschätzen, skalieren und abschichten, unterscheiden, was diesmal gewendet wird und wie ein verkehr diesmal läuft und womit gerechnet werden müsste, wenn mal wieder der Mensch tracht und Gott lacht. Vor allem aber kann ich wagen und trauen, weil ich Kulturtechniken lehre und dazu forsche, die exakt dafür entwickelt worden, also nicht dafür, etwas zu stabilisieren, gelten zu lassen oder gültig zu machen, etwas zu sichern und zu garantieren, etwas zu beschirmen, sondern wagen sich zu trauen.

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Schick sick and thick images:

roman question and lateran treaty

1.

Wozu sollte man Rom behandeln, ist Rom denn krank? Ist Roma, caput mundi, kaputt? Als Aby Warburg im Oktober 1928 luxuriöse Zimmer in Rom bezieht, da gerät er tatsächlich an einen behandlungsbedürftigen Ort, einen Ort mit Behandlungsbedarf derer, die diesen Ort beziehen. Warburg zieht an pandemischen oder epidemischen Ort, also an das, was man eine Umgebung oder ein Milleu nennen kann, weil es dabei kooperiert, situiert sein zu können, es steckt einen noch dazu an, an dem Ort stecken zu bleiben.

Er steigt gleichzeitig an einem flüchtigen Ort ab, an einem Fluchtort, der aufgrund seiner Flüchtigkeit einer Behandlung bedarf. Damit macht sich Warburg auch mal wieder flüchtig, obwohl der Grund der Flucht nicht in ihm, nicht in Hamburg liegt, nicht in der Selbstreferenz Warburger Beobachtungen, sondern in der Umgebung Warburgs, im Milleu, das ihn situiert. Von ihm aus, von Warburg aus, müsste niemand Rom behandeln, auch er nicht. Aber von Rom aus muss man Rom behandeln, auch Warburg muss von Rom aus Rom behandeln, da kann er sich noch so von Rom distanzieren oder gar auf Ausdifferenzierung pochen, da kann er noch so sehr Rom die Schuld dafür in die Schuhe schieben, dass Rom behandelt werden muss. Er muss Rom behandeln, denn seit dem späten Herbst und frühen Winter 1928 er ist mitten drin in diesem Rom. Manche Autorinnen nennen die Reise, auf der sich Warburg mit Bing befindet, nach altem Muster schwärmend eine italienische Reise. Diese Bezeichnung könnte das sein, was man in rhetorischen Institutionen eine ellipse nennt, sie lässt etwas aus.

Unter anderem lässt die Bezeichnung dieser Reise als italienischer Reise die Möglichkeit aus, dass sich Warburg und Bing nicht im Königreich Italien sondern im Kirchenstaat befinden, dass also das Italienische an der Reise unterbrochen und die Reise damit lateinischer, kirchenstaatlicher wurde. Die Bezeichnung ist nicht unbedingt großzügig, es könnte auch pedantisch und kleinzügig erscheinen, auf dem Italienischen zu beharren oder nur auf solche Feinheiten zu achten, zumal das Hotel doch sowieso fein ist und die genaue juristische Qualifikation der Reise nichts an den Preisen im Hotel und am Preisbaren der Reise ändert. Auf jeden Fall ist die Bezeichnung der Reise, wie immer man diese Reise auch qualifiziert, ob nun italienisch, lateinisch oder kirchenstaatlich zügig. Man kann schnell darüber weglesen, muss man aber nicht.

Warburg nennt sich in dem Hotel pontifex, das schreibt er in einem Brief, er hat ja seinen schicken Sitz dort eingenommen. Das ist auch zügig geschrieben und insoweit schiebt Warburg noch eine Stelle dieser Stelle nach. Er nennt sich dort, in einem kurzen Schreiben, einem Brief vom 3.12. 1928 pontifex minimus. Wähnen kann sich Warburg inzwischen in allen Situationen, entweder ohne zu fürchten, wahnsinnig zu sein oder aber mit dem Talent, seine Phobien in Unerschrockenheit zu übersetzen. Wenn er sich schon pontifex minimus nennt, dann kann man auch sagen, dass er im Oktober 1928 mit einer kleinen Oktoberrevolution nach Rom zurückkehrte. Ob er da so sicher ist, das ist ungewiss, die Leute wittern überall Verdacht.

2.

Aby Warburg hat zwar einen Pass und auf der Reise nach Rom jede Grenze ohne große Probleme überschritten. Er hat mal wieder grenzpolizeilich unbefangen einen seiner Orte erreicht. Jede Grenze? Das ist nicht sicher, weil nicht sicher ist, ob das Hotel in Italien oder im Kirchenstaat liegt und eventuell sich darum dieser Gast der Grenzpolizei des Kirchenstaates erst noch stellen muss. Vielleicht hat gar nicht jede Grenze unbefangen überschritten. Das Hotel ist von Warburgs Ankunft im Oktober 1928, sogar schon länger als das, bis in den Februar 1929 staatenlos, weil unsicher ist, auf welchem Staatsgebiet dieses Hotel liegt und damit unsicher ist, ob Warburg sich in diesem Hotel eigentlich legal aufhält.

Wie ein Flüchtling oder Illegaler sieht Warburg nun wirklich nicht aus. Der behandlungsbedürftige Ort ist ein schickes, elegantes Hotel. Und doch gibt das Foto, das man oben sieht und dass Warburg mit Bing und Alber zeigt, etwas im Schick thick and sick zu sehen. Warburg ist nicht staatenlos, das Zimmer sieht nun wirklich nicht so aus, wie humanitäre Zonen im Gazastreifen oder wie Flüchtlingslager auf der Welt eben so aussehen.

Die Gäste hier sind nicht staatenlos, aber das Hotel ist es. Die Staatenlosigkeit der Gäste liegt nicht an ihnen, sondern am Hotel und an der Stadt, in der es steht, und an den Staaten, die sich den Anspruch an Rom scharf aber ungesichert teilen. Das Hotel steht an einer Stelle, die in Frage steht, fundamental und prinzipiell, so fundamental und prinzipiell, das höchste Kreise eingeschaltet werden, unter anderem Kardinal Staatssekretär Pietro Gasparri und Premierminister Benito Mussolini, um sich persönlich um die Stelle dieses Hotel zu kümmern und sie persönlich und amtlich nach allen Kräften zu behandeln. Nicht nur das Hotel ist staatenlos, alle Stellen in Rom sind im Zuge der Nationalstaatsbildung staatenlos geworden, darum rückt man schließlich mit diplomatischen und juristischen Mitteln an, um Rom noch dann zu behandeln, wenn so eine Behandlung sym- und diabolische Züge verlangt, nämlich einen Pakt mit dem Anderen.

Die Frage, die noch dieses schicke und elegante Hotel in Frage stellt und das Hotel staatenlos macht, selbst wenn alle Gäste darin gut bezahlt haben, um sich sicher und willkommen zu fühlen, die heißt um 1929 schon seit einigen Jahren die römische Frage. Es gibt viele römische Fragen, aber diese eine römische Frage scheint so groß, dass man sie nur die römische Frage nennen muss und den Römern innerhalb und außerhalb Roms, also auch zweiten, dritten und vierten Römern wie uns als die eine klare Frage bestimmt vor Augen steht: Wo verlaufen die Grenzen Roms und die Grenzen römischer Staaten? Was ist eigentlich aus den Geschenken geworden, etwa aus der Konstantinischen oder Pippinschen Schenkung? Hat jemand achtlos weggeworfen, was doch eine Gabe oder ein Geschenk gewesen sein soll? Seit 1871 ist Rom geteilte Staat, wie im Jahr 2024 Jerusalem. Rom ist eine geteilte Stadt, seit dem die italienischen Truppen eine Bresche bei der Porta Pia in die Mauer schlugen (wie Zäune und Mauern immer wieder durchschlagen werden, selbst wenn Leute wie Ghassan Hage verteufelt werden, wenn sie an diese Trivialität erinnern) stellt sich die römische Frage, klaffend wie eine Wunde, denn so muss Rom eben behandelt werden, also caput mundi, kaputte Stadt und kaputter Staat.

3.

Auf dem Foto oben heißt es, Warburg sei im Palace Hotel, einem edlen, sogar edenartigen Gasthaus. Warburg, der Witzbold, schreibt so, also wäre er im Eden. Was heißt das denn jetzt? Schloss oder Eden? Drinnen oder draußen? Höfisch oder pastoral? In geschlossenen Räumen oder im Grünen unter freiem Himmel? Wer hat denn diese edenartige Behausung (eine Art veredeltes contubernium) Palace genannt und damit mal wieder was verwechselt? Wäre das eine Verfälschung oder stimmt es, dass auch Eden noch ist, was der Jurist Franz Kafka Schloss nennt? Haben wir es bei solchen Bezeichnungen mit dem zu tun, was Staatsrechtslehrer schon lange vor 2015 listig und einmal ohne Muttis oder Merkels Schuld, ohne einen Eid zu brechen sowohl Schlüssel- als auch Schleusenbegriffe nennen? Diese Fragen sind leicht zu beantworten:

Eden ist ein Vierletterwort, wie prds, das ist auch ein Vierletterwort. Man übersetzt sogar die einen vier Buchstaben mit den anderen vier Buchstaben, obwohl es völlig andere sind. Man übersetzt Schlüssel schleusend. Es gibt die These, eden sei prds und es gibt die These eden sei nicht prds.

eden=prds eden≠prds

Weil man beide Thesen bejahen und verneinen kann weiß man bedingt Unterschiedliches, aber unbedingt eins: Man hat die Wissenschaft im Rücken um dazu etwas sagen zu können, weil man in dem Augenblick, an dem man zu allem sic et non sagen kann, die Disziplin aufbringen (sich und andere aufregen) kann, etwas wissenschaftlich und frei zu sagen.

4.

Wenn Warburg in einem Palast, vielleicht einem Schloss ist, dann auch draußen, weil prds keinen Salon, sondern ein Garten sein soll, zumal ein Garten, der schon von außerhalb des gelobten Landes durch das gelobte Land zog. Prds bildet zwar auch ein hebräisches Wort, zieht aber vom Osten her durch das Land, in dem hebräisch gesprochen und geschrieben wird. Die Letter tauchen schon in Zonen auf, die heute zum Iran gehören. Die Letter sind deswegen minore Objekte, weil sie ungehörig sind und auf rigide Weise unverbindlich. Diese Letter sind keine Angehörigen, dazu müsste man sie sich erst mit ihnen zusammensetzen. Sie sind nicht einmal zerstückelt, weil hinter ihnen keine Versammlung steht, die sich mit ihnen gesammelt und sie sich damit angeeignet hätte.

Hinter Lettern wie prds steht nicht das Nichts, sie kommen nicht aus dem nichts, ziehen nicht ex nihilo auf. Sie ziehen auf, das stimmt schon, sie haben durchgehend und anhaltend etwas hinter sich. Das sind Letter wie die Welt, die man im Rücken hat. Das muss man vielleicht sagen, aber bestimmt nicht dem Warburg. Dass ein Land jemanden gehöre oder einem Sprache jemandem gehöre und dass diejenigen, die nicht die Sprache des Eigenen (etwa die der Aufklärung) sprechen oder denen nicht das Land der Sprache gehört, Barbaren oder Tiere seien, diese Ideen kennt Warburg, solchen Ideen gilt in ikonologischer Form (also in Bild und Wort) seine Forschung.

PRDS muss nicht das Paradies sein, das kann auch Paradas sein. PRDS ist deutsch einsetzbar, gehört keiner anderen Sprache an. PRDS kann ein Parasit des Dieseitigen und ein Parasit des Jenseitigen sein. Das muss man sagen, aber bestimmt nicht dem Warburg. Der weiß das - und darum behandelt er ja Rom, die römische Frage und ihre Behandlung, also die Lateran treaties, die patti lateranensi.

Er hat sich dreißig Jahre lang vorbereitet, etwas dazu sagen zu können, wie Juristen sich etwas aneignen und wie sie definieren, welche Züge sie machen, um die Welt zu reparieren und dabei etwas anzuordnen, wie sie sich Gründe und Böden und Sprachen aneignen und ihre Eigenheiten fair handeln und den fairen Handel schützen zu können, um das auch demokratisch ablaufen zu lassen, wie auch immer, hauptsache, es ist richtig und Recht und gerecht noch dazu. Wie produktiv Juristen sind, das hat beobachtet und wie die Wissen produzieren und produzieren lassen, das hat 30 Jahre lang beobachtet. Im Oktober 1928 ist er nun wirklich schon bereit, die Summe seiner Bild- und Rechtswissenschaft zu entfalten. Er muss nur warten, dort an staatenloser Stelle, um zu protokollieren, wie Juristen das diesmal machen und um kommentieren zu können, welche verschlingenden und verschlungenen Züge, welche Träger und Trachten damit diesmal auftauchen, also ob die was von Paradies hätten und obwohl auch diesmal wieder Paradas, also auch schlicht dies und das dabei herauskommen könnte. Am 11. Februar, als Italien zum Hotel und das Hotel zu Italien kommt, damit die Stelle nicht staatenlos bleibt, da ist Warburg als pontifex minimus schon längst da und hat wohnlich eingerichtet.

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si in ius vocat ito

1.

Falls man geladen wird, kommt man, vielleicht nicht gleich, früher oder später kommt man aber. Ladungen falzen und falten manchmal, sie involvieren manchmal Geladene und Entladungen. Ladungen sind ein Teil diplomatischer und juridische Kulturtechniken. Nicht nur Juristen laden, die aber auch. Ladungen sehen manchmal wie Einladungen und dann wie folgt aus: (das erste Beispiel benutzt das Protokollamt in Frankfurt, wenn ich als Frankfurter Büger ins Rathaus oder die Paulskirche geladen werde; das vorletzte Beispiel, zweites Bild von rechts, entspricht den Einladungen zu bürgerlichen Hochzeiten in Deutschland, wenn sie einem sublimen Stil folgen, etwa um die Gäste in sublimen Trachten, im Cut und im eleganten Kleid kommen zu lassen):

Diese Ladungen sehen nicht nur wie Umschläge aus, sie schlagen auch um. Durch das Papier läuft eine 'energetische Inversion', ein Umschlagen, wie Aby Warburg sagt - eine polare Regung, in der Kehren, Kippen oder Wenden vorkommen. Solche Ladungen sind nicht nur polarisiert, sie polarisieren auch.

Manche finden solche Ladungen chic, andere gräßlich, warum nicht, man will ja nicht alle und alles laden. Alles das, was polarisiert, das adressiert auch und alles, was adressiert, polarisiert auch (vgl. Steinhauer, Bildregeln, 2009). Bildrhetorik undd rhetorische Institutionen assoziieren solche Ladungen mit Begriffen für Messungen, Sendungen und Musterungen, unter anderem mit dem Begriff decorum (d.h. durchgehend oder passierend Musterndes).

Falls man geladen wird, kommt man. Am Falzen oder Falten koopiert schon die Wahrnehmung, ob und wie man geladen ist, das ist zumindest in römischen Fällen und damit Wahrheiten der Fall, die über den Tisch gezogen werden und damit nach römischem Verwaltungsrecht, nach den Akten der notitia dignitatum als veritas falsa beschrieben werden. Veritas falsa heißt nicht unbedingt, dass eine Ladung falsch sein muss. Das heißt unbedingt, dass sie über Tafeln gezogen ist und zieht. Das heißt unbedingt, dass diese Wahrheit als Beweisen ('Bewissen') oder effektive Bebilderung geladen ist. Veritas falsa meint insoweit, dass veritas gefallen, gefällt oder gefällig erscheinen kann. So legt mir das Heidegger 1941/1942 in seinen Kommentaren zum römischem Verwaltungsrecht nahe, so legen mir das nicht erst um 1540 Alciatus' Kommentare zum römischen Verwaltungsrecht nahe. So legen mir das Akten aus dem 400 Jahrhundert (notitia dignitatum) schon nahe. Wie, so? Auf welche Weise wird hier etwas nahe gelegt? Aus Entfernung, die groß und klein erscheinen kann, weil sie normativ, kooperativ und rekursiv erscheint.

si in ius vocat ito: Dies zu sagen oder zu schreiben, haben sich Römer getraut. Sie haben es gewagt und sich getraut zu sagen, man würde kommen, wenn man geladen sei (früher oder später). Ob das wirklich so stimmt? Der Satz klingt wie ein Gerücht und eine Norm, ist er auch. Das ist ein normativer Satz und die Rechtsgeschichte kann nicht sicher beweisen, wann und ob überhaupt die 12-Tafeln einmal aufgestellt wurden. Evident scheint der Satz aber auch so, mit einem Beweisen und Weisheiten, mit einem Wissen und einer Visualität, die vor Augen geladen ist und die in rhetorischen Institutionen mit den Begriffen evidentia/ energeia assoziiert wird. Beweise stellen nicht unbedingt so vor Augen, dass da etwas steht. Sie stellen unbedingt vor Augen, in dem sie etwas bewegen oder regen, also unbedingt auch so, dass sie etwas vor Augen laden: hin und weg, weg und hin. Dass der römische Satz von einem Rufen, scheinbar noch mit offenen Vokalen an akustischen Bars und graphischen Lokalen spricht, das deuten wir als choreographischen Zug dieser Ladung, als Verweis darauf, dass das ein Chor ist, der lädt, kein Einziger und kein Einzelner, selbst wenn die Ladung wie eine oder mit einer Singularität ein- oder ausschlägt. Ein wagender und trauender Satz, den die Römer sogar an oder auf Tafeln geschrieben haben, nämlich jene zwölf Tafeln, die heute auch als römisches Gesetz beschrieben werden, dieser Satz lautet si in ius vocat ito.

Aby Warburgs Bild- und Rechtswissenschaft befasst sich mit Ladungen, die Warburg über graphische und choreographische Züge sichtet und begreift. Solche Ladungen laden nicht nur zum Recht, laden also nicht nur dazu, aus der Wildnis, aus einer pastoralen Landschaft vor den Mauern Roms durch die Tore nach Rom zu kommen. Solche Ladungen sind Regungen, sie regen, regieren, und sie reichen schon, um ius zu sichten und zu begreifen. Warburg verortet das Inkommensurable des Rechts nicht in einer rechtlosen Umwelt oder einer Umwelt, die keinerlei rechtlichen Züge mehr trage, weil dort nichts mehr eine rechtliche Referenz vorweisen könnte. Aby Warburg ist kein Systemhistoriker und kein Systemtheoretiker. Insoweit denkt er an ladende Züge, die schon in den Tropen, schon auf und über dem Mittelmeer, schon in die und in der Wüste reichen und regen, regieren und richten, also schon vor den Mauern Roms und ausserhalb des römischen Reiches ius sichten und begreifen lassen. Weit abseits von Rom laden die Züge, auch indem sie zu Wolken kondensieren und Regen, fluten und dann nach römischem Recht oder Gericht rufen. Diese Züge laden nicht nur ins römische Recht ein. Das sind ausladenden Züge, die schon außerhalb des römischen Rechts das römische Recht laden und laden lassen - und weil Aby Warburg das Recht nicht als ausdifferenziertes System sichtet und begreift, sichtet und begreift er das Recht sogar jenseits des Rechts ladend - einladend, aufladend und entladend. Für Sensibelchen Aby ist ohnehin alles schon von klein auf überladen und Geschichte ein Haufen.

2.

Auf Tafel A des Mnemosyne-Atlasses zeichnet Aby Warburg präzise Züge ein, die zu einer Sichtung und Deutung der Lateranverträge und zu dem neuen römischen Staat, dem stato della citta del Vaticano laden. Die Zeichnung auf Tafel A ist eine Art 'Kontrasignatur', eine Art Gegenzeichung zu den Staatstafeln, zu den Tafel 78 und 79 (und insoweit sogar zu den Anhängen der Lateranverträge, die das pomerium imitieren, in dem sie die Umrisse des neuen Stadtstaates nachzeichnen). Alle Linien in dieser Kartographie sind graphische und choreographische Züge, trainierbare Züge, bar jeden Trainings und Bar jeden Trainings, das sind wagende und so trauende Züge, wie der Satz si in ius vocat ito. Weil diese Züge so wagend und so trauend sind, wie andere Züge, sind sie nicht total gleich und nicht total anders. Durch sie zieht das Selbe und das Andere, auch darum sind das wagende und trauende Züge. Keine der Züge erscheint gradlinig, sie sind alle kurviert. Leibniz hätte seine Freude daran, wie alle Graphiker, die dem nachgehen, was die Medienwissenschaft einmal das Laokoon-Paradigma genannt hat. Damit sind unter anderem graphische und choreographische Techniken gemeint, die Bewegung aufzeichnen - oder wie wir wirklich seriösen Staatsrechtslehrer in unserer Vereinigung immer und bei jeder Versammlung sagen: die Regierungen, Regime, Reiche, Regungen und Rechte zeichnen. Drawing things together (Latour) by drawing distinctions, das heiß nicht, dass solche Zeichungen unbedingt zusammenziehen oder kontrahieren. Das heißt unbedingt, dass die Züge kooperativ, normativ und rekursiv sind, also sie auch in dem Sinne zusammen gezogen sein können, weil zwei, die entzweit sind, sie ziehen und in dem Zug auch Distraktion vorgeht. Drawing things together may contract and distract, may contract/ distract both drawers. Alles, was wir haben, sind die Züge die zwischen uns regen, als ob sie stehen, sitzen oder liegen würden und als ob sie, wie der wirklich seriöse Staatsrechtslehrer in unserer Vereinigung und auf unserer Versammlung immer Ino Augsberg sagt, Gesetz, Gestell oder Gelage wären.

3.

Warburgs Zeichnung von Tafel A lädt ein, den Atlas zu sichten und zu begreifen - und damit auch, Warburgs Staatstafeln zu sichten und zu begreifen. Leibniz hätte mit den Kurven und Sc Schwüngen seine Freude. Nicht nur Leibniz, alle, die dem Laokoon-Paradigma anhängen, auch Ètienne-Jules Maray oder Gilles Deleuze, sicher Bernardt Siegert und Cornelia Vismann, garantiert Fabian Steinhauer hätten und haben ihre Freude an dieser Ladung. Die Zeichnung ähnelt keinen meteorologischen Berichten. Anders gesagt: Sie ist ein meteorologischer Bericht und ähnelt insofern anderen meteorologischen Berichten, etwa Wetter-, Wind- und Regenberichten. Eben, die Züge regen windig, auch die, die so laden, als ob sie ins Recht laden und die dabei doch schon außerhalb des Rechts geladen sind und die auch dann noch ins Recht laden, wenn sie sich im Recht entladen können. Ladungen sind nicht unbedingt verbindlich, sie können sogar rigide unverbindlich (Plener/ Lehmann) sein. Und doch lassen sie spüren wie sie spuren lassen, sie laden auch so, lassen auch so kommen. Sie traktieren unbedingt, kontrahieren und distrahieren unbedingt. Kennen Sie die berühmte Traktorenforscherin Bianca Lanz? Wenn nicht, laden wir Sie ein, sie kennen zu lernen.

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Patricia Seed

1.

Die Seed beschreibt eine normative Praxis, deren Element ein graphischer oder choreographischer Zug (Train(ing), Trakt, Tracht, Träger) ist, um mit dem umzugehen, was man possession nennt. Possesion muss man nicht mit Besitz oder Eigentum übersetzen, man kann es mit einer Besessenheit und als Besessenheit (rauschende Situation) übersetzen. Man kann das als ein Ergreifen und das Ergreifen als Pathos, sogar als Pathologie begreifen.

Patricia Seed setzt da an, wo Aby Warburgs Bild- und Rechtswissenschaft 1896 auf einem Schiff und bei einem Gespräch mit Sally George Melchior, dem Juristen und späteren Rechtsvergleicher, ansetzt: Am Zug des Ergreifens, der nicht für Bestand sorgt, sondern für Wechsel. Der Zug der mancipatio sorgt mit dem, was er an Form und Formlosigkeit einrichtet dafür, mit Unbeständigkeit umzugehen. Jemand ergreift Dein Eigentum, Deinen Sklaven, Deine Tochter und behauptet plötzlich, es, er oder sie sei sein, sei ab jetzt nicht mehr Dir, sondern ihm eigen .

Die mancipatio lehrt Dir, dazu einfach zu schweigen und nicht zu widersprechen. Darum nennt Gaius sie auch dann einen Verkauf, wenn er nur die Aktion des Erwerbers beschreibt und den Verkäufer in seiner Passivität nicht einmal mit einem Wort beschreibt. Er lässt in der Beschreibung des Verkaufes den Verkäufer aus, so dass der Verkäufer in der Passage ein Letter ist, ein minores, nämlich minderes Objekt (nicht begriffen, nicht beschrieben, ausgelassen von der Schrift und von dem Bild) und lassend.

2.

Vielen Dank an Christian Pogies, der mich auf Patricia Seed aufmerksam gemacht hat.

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Der Memory-Styx-Atlas

1.

Der Mnemosyne-Atlas ist der Memory-Styx-Atlas, wenn er so gewendet wird, dass ein stolzes Gedächtnis auch kurz sein kann. Der Atlas von Warburg kommt mit Löchern daher. Wie man Kaffee "mit ohne Sahne" bestellen kann, kommt er auch mit ohne Bildern daher, er ist auch bildfrei

Der Mnemosyne-Atlas kommt cum-ex daher. Warum sollte man sich auch dem Gewaltmonopol eines Staates und dem Monopol der Sätze unterwerfen, wenn es doch diesseits und jenseits der Staatsgrenzne Schlupflöcger gibt, man selbst davon ausgeht, dass der Staat und das Recht aus einem Loch geschlüpft seien, weil es vor dem Staat keinen Staat und vor dem Recht kein Recht gegeben hätte und weil Staaten begrenzt sind, schon damit man aus Staaten flüchten kann, zum Beispiel in angebliche Steuer- oder Asyloasen oder, wie Aby Warburg, sogar ins totale Asyl, eine geschlossene Anstalt, falls die Staaten und Rechte insgesamt im Krieg ist und überall in der Welt zuviel Welt und Recht und Staat und Gesellschaft und Familie und noch und noch soviel zuviel und zuviel ist. Der Staat ist begrenzt, damit man über seine Grenzen hinweg in eine dunkle Opiumhöhle schlüpfen kann oder in Kreuzlingen etwas feiner auf einem Privatgrundstück eine Opiumkur machen kann, wie das Aby Warburg gemacht hat. Man spricht von einem Recht auf Nichtrecht. Die Rede von einem Recht auf Nichtrecht sitzt auf, ihre Genaologie und Archäologie endet nicht bei Cicero, der die Formel summum ius summa iniuriae schon als alten Spruch beschreibt. Die Antijuridismus und der Juridismus sind den Zügen nach, jenen graphischen und choreographischen Akten nach, die Form und Formlosigkeit durchziehen, identisch.

2.

Der Atlas von Aby Warburg bietet eine private Praxis öffentlicher Dinge an, keine Unterwerfung, keine Subjektivierung, keine Objektivierung, kein souveränes Prinzip. Der Atlas ist nicht nur schön, nicht nur häßlich, nicht nur gut, nicht nur böse, nicht nur rein, nicht nur unrein, nicht nur dieseits und nicht nur jenseits. Am ehesten ist er noch prds, also Paradies und Paradas.

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Jewgenija Berkowitsch

1.

Die Macht des Anfangs, so heißt ein Text von Cornelia Vismann über das Instituieren (etwas, was man mitmacht und als Technik von der Institution oder der institutionellen Macht unterscheidet). Unterhalte ich mich mit Leuten aus Russland und kommt heraus, dass wir unterschiedliche Ansichten über eine Situation haben, heißt es ab und zu, ich sei aus dem Westen und kenne die ganze Geschichte nicht, sei nicht von Anfang an dabei gewesen und würde mich überhaupt erst dafür interessieren, seit dem sich etwas in unglücklichem oder blödem Licht zeige. Man müsse aber den Anfang kennen, um zu verstehen, dass das alles so in Ordnung sei oder wenigstens verständlich würde. Wußte bisher gar nicht, dass ich etwas nicht verstehe oder dass ich nicht über Ordnungen spreche, aber gut, man sagt, ich sehe das Ganze nicht und zeige kein Verständnis. Jüngst wieder.

Die Macht des Anfangs ist nicht nur in Russland Teil der normativen Kraft des Kontrafaktischen. Das ist auch außerhalb Russlands Teil der normativen Kraft des Kontrafakischen und kontrafaktisch stabilisierter Verhaltenswerwartungen, in denen manche das System und das Recht und die Gesellschaft erkennen wollen. Russland ist auch aus, ist auch ausdifferenziert, Luhmanns Systemtheorie ist nicht als Theorie von Deutschland gedacht, das soll eine Theorie auch für globale Verfassungen und globaler Fragmentierung sein, sagt man so. Falsch ist die Theorie nicht, sie macht Systeme für Systematiker wahrnehmbar und Umwelten für Umweltschützer, macht Selbstreferenzen für Leute mit Hang zu Selbstreferenzen wahrnehmbar. Und wollen sie doch einmal raus, gibt es im Baukasten der Theorie noch Gunther Teubners präzise und stets dreiteiligenZusammensetzungen, also Gerechtigkeit als Transzendenzformel (Niklas Luhmann als stabiler Bielefelder Bungalow plus Jacques Derrida als Klimanlage oder automatisch-surrealem Frischluftfenster plus Gunther Teuber als Relais): Derrida, Luhmann, Teubner. Theorien wie die Systentheorie sind nicht falsch, sie macht Ausgänge wahrnehmbar für die, die das System erst operativ schließen und dann für Informationen öffnen, die erst rein und dann raus wollen, das weiter noch eine ternäre Struktur einer Referenz, die etwas garantieren soll, die eine Abwesenheit überbrücken und einen Abgrund bewältigen soll. Das ist, woran man sich halten soll. Empfehlenswert ist es. Bedenkenswert ist es. Wem ist zu verübeln, dass er rational, stabil, normal, Teil einer schöpferischen Schöpfung sein und dabei am liebsten noch Recht haben will?

2.

Jüngst also: Leute, die mir sagen, ich würde Russland nicht so gut kennen und hätte die Geschichte nicht von Anfang an verfolgt. Zufälligerweise fällt mit Jewgenija Berkowitsch ein und nicht nur das. Der Name fällt mir aus dem Mund wie Krümel beim deutschen Hotelfrühstück mit Kaiserbrötchen und Wurst drauf. Wer das denn sei? Ob die in Frankfurt lebe? Kenne man nicht.

Leute, die von Anfang an dabei waren, so huscht es wie bei amazon durch meinen Kopf, waren auch hier dabei, inklusive Vorschläge für 278 Dinge, die man kaufen kann. Ich sage dann vorsichtig, sie sei eine Regisseurin und Autorin aus Russland, die Russland nicht verlassen habe, jetzt aber im Gericht säßem, Untersuchungshaft wegen extremen Theaterstückes. Später kommen Leute wieder, die haben dann recherchiert, kennen sie jetzt und die Rechtfertigung, warum Jewgenia Berkowitsch angeklagt werden muss und ins Gefängnis muss. Ich würde es nicht verstehen, weil ich nicht von Anfang an dabei gewesen sei und die Gefahren nicht richtig einschätzen könnte. Erwartbar kommt ab und an auch die Bemerkung, man solle selber denken und nicht alles glauben, was im Netz über Russland so stünde. Ja. Das Gedächtnis ist stolz oder kurz.

3.

Aby Warburg: Man sieht alles wieder, alles wird wiedergesehen, man sieht alles mindestens zweimal und wird von allem mindestens zweimal gesehen. Darum legt Aby Warburg auch auch zwei Staatstafeln an, nicht eine. Wozu hat der Mensch schließlich zwei Augen? Damit er zweimal sehen kann und sehen kann, dass er entzweit und doppelt sieht und dass der stereoskopische Blick, der den Raum plastisch macht, auch brechen kann. Dazu zwei Staatstafeln: weil es uneinige Probleme mit reflexivem Recht gibt. Doppelte Moral ist das mindeste, was man haben sollte, nicht um Moral zu haben (dafür reicht eine) sondern um durchschauen zu können, was Moral ist. Doppeltes Recht ist das mindeste, was man haben sollte, nicht um Recht zu haben oder rechtfertigen zu können, sondern um durchschauen zu können, was man hat, wenn man etwas hat und was man kann, wenn man etwas kann. The Double-State mag wie ein Anti-Christ dastehen, aber vielleicht nur den guten Christen. Warburgs Methode schirmt Abgründe nicht ab, meistert und bewältigt sie nicht, scheint sogar lässig damit umzugehen, wie mit dem Mord an Matteotti, weil der Mord an Matteotti auf Tafel 79 wie Auslassungspunkte oder wie der kleine Raum zwischen zwei Zeilen auftaucht. Matteotti ist auf Tafel 79 ein Letter und der Letter ist ausgelassen. Das blutige Corporale ist da, sogar mit dem Bild assoziiert, dass am Anfang der Verkörperung der Gemeinde ein blutiges Opfer steht, der Weg von Rom nach Orvieto steht vor den Augen. Für Warburgs Bild- und Rechtswissenschaft steht nicht das Versprechen oder die Garantie im Vordergrund, Rechte, Staaten oder Personen zu stabilisieren. Pathosformeln nicht keine Kontingenzformeln und keine Transzendenzformeln. Pathosformeln sind Pathosformeln, die mit Unbeständigkeit, Meteorologie und Polarität umgehen sollen - und die Rom als Reigen, Reich, Regen und Recht wahrnehmbar machen.

Einen doppelten Staat ist das mindeste, was man haben sollte - nicht um einen Staat zu erblicken und im Blick des Staates zu stehen, sondern um zu durchblicken, was ein Staat ist und um mit dem Auge zu machen, was Andrea Mantegna, Piero della Francesca oder Luis Bunuel mit dem Auge machten, als sie einen Riss durch das Auge gehen liessen. Du und ich, wir haben da was im Auge - das hat mal jemand im ersten Satz und am Anfang eines Textes in Der Staat über Stolleis' Auge des Gesetzes geschrieben, das sei ein Balken oder ein Dorn. Der Geschäftsführer der Zeitschrift hatte damals den Chef des Autors angerufen, die Redaktion hatte den Geschäftsführer überstimmt und er wollte, dass der Chef dem Autor trotzdem sagt, so werde man nicht glücklich und der Chef solle das bitte weitersagen, das sei nicht vertraulich, das sei seine Pflicht als Redakteur und Amtsinhaber, auf das Glück des Rechts und des Autors zu achten und die Pflicht des Chefs, auf seine Mitarbeiter aufzupassen. Vielleicht wolle der Autor ja doch lieber den Aufsatz zurückziehen? Freitag abend angerufen, Tagesschauzeit, quasi schon Derrick oder Der Alte oder ein andere Polizist, der für die reine Ordnung sorgt. In dem Augenblick ruft also der Geschäftsführer und dazu noch einer der Direktoren, die es außerhalb der Diktaturen aber innerhalb der Direktorien so gibt, an. Vielleicht war die Dringlichkeit auch der Grund dafür, dass der Geschäftsfüher den Chef des Autors und nicht den Autor anrief. Es war wohl sehr dringend, sonst hätte der Chef des Autors doch erstmal Tagesschau und Derrick oder Der Alte schauen können und man hätte bis Montag warten können. Der Geschäftsführer hätte dem Autor einen schriftlichen Brief schicken können, was den Vorteil gehabt hätte, dass man was für die Akten hat und es in der Welt ist, denn da soll ja es ja hin, in die Welt, bitte ausrichten! Aber das dauert! Der Geschäftsführer hätte den Autor anrufen können, aber dann hätte er auf der Internetseite schauen müssen, das dauert! Also dann doch lieber Chef, man kennt sich eh schon und muss sich nicht lange vorstellen, das würde auch das Gespräch mit dem Autor verzögern, dass man sich beide erstmal vorstellen müssen, vor allem was ein Direktor ist, denn der kommt ja als erstes und vor allem, das muss man sich erstmal vorstellen. War wie gesagt so dringend, darum Freitag abend, schnelle und stille Post, ein mündliches Geschick und Kippsal, denn in einer polaren Welt komm nichts so an, wie es abgeschickt wird, während der Sendung dreht sich schon was.

Recht hat er, der Geschäftsführer und Direktor, das ist sein Amt, sein officium, sein munus, seine Gabe. Wurde alles pflichtgemäß weitergegeben und pflichtgemäß wurde der Autor von seinem Chef gewarnt vor dem Unglück, das drohen kann. Oh Fortuna! Das ist richtig so, so ist nämlich richtig sein. Der Autor hat trotz Warnung der Veröfffentlichung seines Textes zugestimmt und ist trotzdem glücklich geworden, und leben sie noch heute, so leben sie noch lange. Der Autor und der Geschäftsführer haben äußerst unterschiedliche Ansichten darüber, was Recht ist, dabei passiert keinem was, auch wenn einer mal weiter oben und der andere weiter unten zu stehen sich wähnt. Die haben unterschiedliches Glück. Der liebe Chef, so eine Art MittlerManagment und MittlerGentleman gibt alles weiter von oben nach unten und von unten nach oben und bleibt höflich dabei, der hat eine Engelsgeduld mit den Leuten und wundert sich, ab und zu, dass er am Ende wie alle die Schläge abbekommt. Die Details sind Wahnsinn, an ihnen lässt sich der Sinn für Wahn schärfen. Ob das der systematische Blick, der nicht abschweift und umherschweift, auch kann? Nein. Der systematische Blick lässt den Sinn für den Wahn stumpf werden. Details es sind es, die Sinne schärfen. Du und ich, wir haben da was im Auge.

4.

Pratyush Kumar, der gerade bei Gunther Teubner Gastaufenthalt hat und diesen Status in Deutschland behalten kann, solange er nicht von Dirk Banse entdeckt wird und dann eine Gesellschaft plötzlich die Meinung hat, dieser Gast teile unsere Werte nicht, der ist ein fantastischer Ratgeber und Gesprächspartner in Sachen Aby Warburg. Nicht weil er dazu geforscht hat, sondern weil er aus der Gegend kommt, die Warburg Osten nennt, der kommt aus Indien. Der springt auf Warburg an - und übersetzt die Idee, dass man alles, was man sehe, mindestens zweimal sehe, reproduziert sehe und jedes Sehen wieder-, um- und verkehre mit einem kurzen Wort: Karma. Dass Warburgs Tafeln Meditationen oder Übungen sind, dass Warburg ein Guru sei, das kommentiert er mit einem fröhlichen Was denn sonst? Mit Pratyush Kumar an einer Tafel zu sitzen, das Essen und die Getränke zu teilen, das ist Glück, schön limitiert und umso besser kanalisiert.

5.

In jeder Sekunde bleibt scharf zu sagen, was richtig und was falsch ist. In jedem Detail bleibt scharf, was richtig und was falsch sein soll. Scharf bleibt, was rein und was unrein sein soll. Die Grenzen verschwimmen nicht, werden nicht aufgehoben, sind keine Aufhebungen. Nirgends eine Entgrenzung. Die Dinge verschmelzen nicht, zerstäuben nicht im Kleinsten, wenn man sagt, dass kein System, kein Gott, kein Vaterland rettet und erlöst. Die Welt bricht nicht zusammen und nicht auseinander, wenn man an Details bleibt, die neben Details liegen und an Details sich stösst, die an Details stossen. Das Detail ist Referenz, die teilt, geteilt ist und teilen lässt, deren Grenzen mitten durch das Detail gehen, weil die die Grenzen dank und durch das Detail gehen, kommen und gehen, meteorologisch vorübergehen, wie in in Thomas Hobbes' Leviathan heißt.

Die Schlussszene von Marcel Ophüls Hotel Terminus, die Szene, an der nach langen Stunden Zynismus und Ironie, Show, Folter und Wahnsinn um das Hotel Terminus gezeigt wird, wie eine Nachbarin von einer spontanen Regung einer Nachbarin erzählt, die sich gegen eine große Welt gestellt hat und eine kleine Welt gerettet hat (die der Nachbarin), die in der und aus der Hoffnungslosigkeit nur einen winzigen Zug zur richtigen Zeit am richtigen Ort machte, gegen den Staat, gegen die Gesellschaft, sogar gegen die, die unbedingt Leben wollen, das vergesse ich hoffentlich nicht.

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Polobjekte

Warburgs Tafeln sind Grenzobjekte, diplomatische Objekte, minore Objekte (Letter) und Polobjekte.

Nichts davon erfindet er selbst. Die Tafel sind Polobjekte, weil sie Polarität operationalisieren können, also einen Umgang mit Polarität einrichten. Sie nutzen Polarität um den Umgang mit Polarität zu üben - mit Einrichten meine ich eine Instituierung, in der die Institution nicht das ist, was vorliegt und akzeptiert werden muss, das man nicht ändern könne und insoweit einseitig gegeben sei. Gabe ist es, wenn es mitgemacht wird und damit nicht bleibt, was es ist. Die Polarität des Polobjektes kann man mitmachen, muss man nicht, wenn man es tut wird sie sich wenden, trivial und trotzdem ohne festzuschreiben, was daraus folgt. Polobjekte sind polar und lassen polarisieren, lassen Polarität mitmachen. Das tun sie, weil sie etwas wenden, kehren oder kippen und im Nachvollzug alles das auch lassen, immer in allen Sinnen, allen Verständnisvariationen. Die Tafel lassen aus, unterlassen etwas, hinterlassen etwas, lassen im Sinne von ermöglichen und lassen im Sinne von Nicht-Tun. Man muss die Tafeln nicht wenden, sie wenden nicht immer.

Polobjekte, Grenzobjekte, diplomatische Objekte, minore Objekte: alles das begreiefe ich als Teil einer normativen und operativen, insoweit auch situativen Ontologie. Kurz gesagt: Nichts daran steht fest und hält den Platz des Wesens für die Zeit des Wesens besetzt. Alles was geht, geht, geht durch und vorüber, wir sprechen von technischen oder artifiziellen Objekten.

Man kann die Tafel 79 als Klapptafel benutzen, wenn man die Pathosformeln der linken Seite auf die Pathosformeln der rechten klappen oder umkippen kann, umgekehrt geht es auch. Dadurch wird die Pathosformel Begehren zur Pathosformel Verzehren, beide auch zur Pathosformel Verkehren. Das ist präzise, simpel, ist Bildtechnik und Ikonologie, sogar Sprachwissenschaft, weil Warburg damit die These entfalten lässt, dass vague Assoziationen präzise begehren, verzehren und verkehren können - schon weil der Begriff des Vaguen alle drei anderen Begriffe übersetzt und alle drei Begriffe Übersetzungen des Vaguen sind. Wie das phagein ins vagor kippt und das vgor ins Vague, das Vague ins Vogue, die Vogue ins Fagieren, das Fagieren ins Verkehren, weiter ins Begehren und weiter ins Verzehren und zurück ins phagein, so legen sich die Formen auf Formen und Formeln auf Formeln. Polobjekte hat Warburg nicht erfunden, Klappobjekte hat er nicht erfunden. Seine Frau Mary ist Künstlerin, die hat sie auch nicht erfunden, die Tabellen in der Bank, Saras Tabellen sind nicht Saras Erfindungen - auch die lassen als das, was Vismann noch Stellenwertsystem nannte, Stellen verstellen und damit das Begehren, Verkehren und Verzehren präzise begleiten.

Die Warburgs erzählen, dass dieses Klappobjekt seinen Anteil daran hatte, dass die Familien die Heirat der beiden akzeptieren konnten, herzlich waren alle, nur schienen die Widerstände so groß, die Türen zwischen orthodoxen Juden und Protestanten so geschlossen. An diesem Objekt kann man üben: auf und zu. Trivial und voller Wunder diese Karte, dieses Polobjekt, klipp-klapp: Auf und zu, es geht, muss aber nicht sein. Wenn man etwas kann, These!, ist die Wahrscheinlichkeit geringer, dass man es muss.

1898 malt Mary und bastelt Mary das oben abgebildete kleine Polobjekte und Klappobjekt: Eine Postkarte mit geschlossenem und offenen Zustand, mit gemalten und fotografiertem Zustand (und Schrift auf der dritten Seite). Das ist ein Objekt, das nicht nur von einem offen Zustand in einen geschlossenen Zustand umkippen oder umklappen kann, das wendig ist und dessen Geschick darin besteht, kippbar zu sein (wie Fortuna). Die Karte steht nicht so, also ob sie stünde, das Polobjekte steht nicht so, als ob es stünde. Sie regen und lassen Regung mitmachen, sie reichen und lassen reichen mitmachen, tragen und lassen mittragen, trachten und lassen mittrachten. Sie verlängern und verkürzen, lassen anfangen und aufhören, vergrößern und verkleinern. Die Malerei kann dabei sogar in Fotografie umklappen, die Bilder können sogar in Schrift umklappen, aber das andere kommt nicht weg und ist dann nicht weg, das ist dann anders entfernt, vielleicht kommt es dabei sogar näher oder rückt durch die Entfernung ferner. Das ist reversibel, polar, Regung, in der Kehren, Kippen und Wenden vorkommen. Die Vorgänge beschreibe ich als Operationen. Ob Operation auch Kommunikation ist, das diskutiere ich gerade auch mit Natahly Mancilla Ordenes, wie man beides und ob man beides unterscheidet, welche Rolle die Unterscheidung zwischen Kommunikation und Operation einmal spielen wird, das weiß ich im Moment nicht. Vielleicht später.

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Wer kreischt, gründet Rom

Wer schreie, habe Unrecht, heißt es jüngst in der Qualitätszusammenpresse, in der FAZ. Hat wohl Kaube geschrieben, den Rest des Artikels Alexandra von Kemmerer, die würde so etwas wohl nicht schreiben. Aber stimmt es, dass diejenigen, die Schreien Unrecht haben? Und haben das Unrecht im Schrei, so wie andere Rechte in der Hand haben? Kann stimmen, kann aber auch nicht stimmen. Das Stimmen kann schon mit dem Stimmlosen, dem Krach zusammenhängen, die Stimmlosen und Krachenden könnten auch Recht haben. Um Fragen der Grenze der Sprache, des Bildes, des Rechts und einen Staates drehen sich Warburgs Staatstafeln auch, die den Anfang Roms als ein elliptisches Kreisen, also durchgängiges und durchbrochenes Tragen und Trachten, als Züge mit Schub und Halt entfalten. Ob derjenige, der schreit, Unrecht hat, das ist strittig, weil der Schrei ein Unrecht wahrnehmbar machen kann, auch weil er die Wahrnehmung cancelled, canceliert. Eventuell spricht er auch eine fremde Sprache. Am Anfang war nicht unbedingt schon das Wort und selbst das war nicht unbedingt bei Gott. Am Anfang war auch das Bla, so heißt es bei Friedrich Kittler. Warburgs Staatstafeln lassen schon eine Idee aufgreifen, die später auch Lacan in seinem Vortrag in Rom aufgreift, nämlich dass der Vatikan, seinen Namen als ein kreisender Berg bekommen habe - vom Geschrei derer, die Verzehren wollen, von den Säuglingen, die vague schreien, um zu verzehren. Am Anfang der vaguen Assoziation, die man Rom nennt, war das ua, UA, UA der Säuglinge, ua UA Vatikan. Warburg zitiert zwar nicht diese berühmte Passage aus den attischen Nächten, er zeigt aber eine Gründung mit tragenden und trachtenden Zügen, die noch vor dem Bild und noch vor der Sprache, vor dem Gesetz und vor dem Vertrag gezogen werden. Dass es sprachlich schwierig ist, Tafel 78 und 79 als Gründungserzählung nachzuerzählen liegt auch daran, dass Warburg unterhalb der Schwelle des Wortes und unterhalb der Schwelle des Bildes anfängt, er fängt mit minoren, diplomatischen Polobjekten an, mit Lettern, die in dem Fall Linien, Züge oder Trakte sind.

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Warburgs Staatstafeln

Anfängerübung: Wir üben, anzufangen - mit Grundlagenforschung. Die verstehen wir als Forschung an Grenzobjekten (boundary objects) - die wiederum als Objekte, durch die eine Grenze geht.

Wir definieren das Recht normativ und operativ, wir definieren das Bild normativ und operativ. Eine Norm, so definieren wir weiter, ist nicht etwas, was verbindlich ist. dank und durch eine Norm lässt sich Differenz operationalisieren, also ein Umgang mit Differenz einrichten. Normativ ist nicht das, was bindend oder verbindlich ist, sondern der Effekt operationalisierter Differenz, Effekt dessen, dass ein Umgang mit Differenz eingerichtet ist.

Kurz gesagt gehen wir also davon aus, dass das Recht oder ein Bild durch Operationen besteht. Besteht ein Bild nicht aus Materialien und das Recht nicht aus Rechten oder, wie Gaius in seinen Institutionen nahegelegt hat, aus Personen, Dingen und Handlungen? Besteht das Recht nicht aus Normen, die wiederum aus Rechtsquellen, Rechtsbegriffen und Sätzen?

Als Beispiel eines elementaren Vorgangs, der Differenz operationalisiert dient eine Linienzug (auf Tafel 78 und 79 sieht man einige davon, von Unterschriften bis zu Prozessionszügen). Das ist ein graphischer, sogar choreographischer Akt - und die Linie ist ein Grenzobjekt. Man kann das Beispiel konkretisieren: Eine Unterschrift ist eine Linie, eine Wellenlinie. Zu unterschreiben (etwa einen Vertrag oder ein Gesetz) ist ein choreographischer Akt, die Signatur ist ein Grenzobjekt. Das sogenannte Pomerium ist ebenfalls eine Linie, das pomerium zu ziehen ist ein choreographischer Akt und die Furche ein Grenzobjekt. Solche Linien schaffen Umgang mit Differenz, vermehren oder vermindern keine Differenz. Der Grund, auf dem die Linie gezogen wird, wird dadurch nicht weniger, nicht mehr. Und die Linie ist selbst nicht eindeutig oder mehrdeutig, nicht eindeutiger oder mehrdeutiger als Anderes. Die Operation, eine Linie zu ziehen, kann als Schließung oder Öffnung verstanden werden. Wird man die Linie insoweit versteht, das ist auf der elementarene Ebene ungewiss. Mauer die Linie? Kanalisiert sie? Beides kann möglich sein, muss aber nicht sein.

Für die Linie gilt, was in der Rechtstheorie teilweise über das Verbot gesagt wird. Es gibt nämlich die Theorie (bei Pierre Legendre) , dass das Verbot nicht unbedingt in der Negation einer Handlung besteht. Man deutet das Verbot als Form der Botschaft, die zwar eingerichtet ist, aber sowohl als Ermöglichung als auch Verhinderung, also in zwei Richtungen, gelesen werden kann und insofern rekursiv und reflexiv, zirkulär oder kreisend gelesen werden kann. Wie eine Verfassung keine Fassung negiert, sondern Fassungen auf eine reflexive und rekursive Ebene heben können soll, so soll das Verbot eine rekursive und reflexive Fassung einer Botschaft sein. Das Verbot sei ein interdictum und das interdictum nicht unbedingt ein Satz, der eine Handlung untersagt. das eine Norm: Du sollst nicht morden, verhindert sie eventuell keine Handlung, sondern macht es möglich, Handlungen zu unterscheiden. Der Satz macht es möglich, Tötungen zu unterscheiden und daran anschliessend sogar die einen Tötungen zu verhindern, die anderen aber zu gebieten (weil man dann Regeln der Notwehr oder der Bestrafung anschließt oder weil man mit dem Begriff des Mordes auch Tiere und Menschen unterscheidet und das Limit mit einer Lizenz einhergehen kann, wie etwa im sogenannten Umkehrschluss. Dass Kriege damit begründet werden, den Mord zu verhindern, kommt vor, muss nicht falsch, nicht richtig sein, muss nicht die Regel, muss nicht die Ausnahme sein. Das Interdictum kann auch ein 'Zwischengesagtes' sein. Die Linie, das Grenzobjekt geht mit Limit und Lizenz einher. Sie macht etwas handhabbar und händelbar, schafft Umgang und Umgehungsmöglichkeit.

2.

Die Anfängerübung läuft heißt: Die Teilnehmer stellen fantastische Frage, sitzen mit großen Augen und aufgespannten Ohren da. Wir kommen mit dem Stoff freilich kaum durch, frohe Botschaft: Ist ja auch nur eine Anfängerübung, wie fangen ja nur an, mehr nicht. In den nächsten vierzehn Tagen wird das Thema für einen Essay zu entwickeln sein. Das Thema soll mit Bild und Recht zu tun haben. So ist das Thema eingrenzt, eine wunderbare Linie darum gezogen. Ich will von den Teilnehmer sehr wenig und sehr viel. Unter anderem sollen sie den Schalter auf ihre Neugierde umlegen: Wozu sitzt man da und nimmt an so einer veranstlung zu grundlagen teil, die sich mit einem doch recht sonderbaren Thema, nämlich mit Bild und Recht befasst? Warburg und seine Tafeln sind exemplare Grenzobjekte, gleichzeitig meine These aber, dass Warburg eine Schlüsselfigur in der Wissenschaft der ersten Hälfte des 20 Jahrhunderts in Deutschland, in Hamburg ist - und das das auch mit seinen Arbeiten zur Geschichte und Theorie des Rechts zu tun hat. Warburg ist nicht nur im orthodoxen Elternhaus erzogen worden und darüber mit dem vertraut geworden, was nicht nur Religion ist, sondern auch Recht und Gesetz. Warburg ist erzogen und kennt den Talmud, der weiß auch was jüdisches Recht ist. Ab 1896 befasst sich Warburg aber wissenschaftlich mit dem Recht und der Rechtswissenschaft. Der wird auch ohne Jurastudium Rechtswissenschaftler, die Tafeln 78 und 79 bilden die Summe einer Geschichte und Theorie, die sich für Unbeständigkeit, Meteorologie und Polarität interssiert und das alles nicht als etwas versteht, was vom Recht möglichst verhindert werden müsste. Warburg interessiert sich für unbeständiges, meteorologisches und polares oder polarisiertes Recht - weil er sich dafür interssiert, die ein Umgang mit Unbeständigkeit, Meteorologie und Polarität eingerichtet wird.

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Unbeständigkeit, Meteorologie, Polarität

Ich widerlege nicht die These, dass das Recht die Funktion haben kann, Verhaltenserwartungen oder sonst etwas zu stabilisieren. Ich widerlege auch nicht die These, dass das Recht stabil sein und stabilisieren kann. Ich widerlege das nicht, weil man das Recht so nutzen kann, ihm diese Funktion also geben kann, weil es vorkommen kann. Stabilisierung muss nicht falsch sein, was habe ich da mit Widerlegung zu schaffen? Das kann eine Besonderheit sein, eine Situation, vielleicht ergibt sich auch eine Geschichte. Was ich bestreite, ist die Aussage, das Recht sei dem Wesen, dem Ideal oder der Funktion nach stabil und stabilisierend und dass sei seine Eigenheit, sein Ideal oder sein Wesen. Solche Ideale gibt es, aber die halte ich nicht für allgemein und allenfalls limitiert repräsentativ.

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"Aby Warburg unternahm 1895/96 eine Reise durch den Südwesten der USA, um bei den Pueblo-Gemeinschaften Material für seine Studie zur Entstehung symbolischer Kunst zu sammeln. Er kaufte Kunstgegenstände, überschritt jedoch Grenzen, indem er heilige Räume betrat und zeremonielle Tänze fotografierte – wie viele Anthropologen zu seiner Zeit. Diese Verletzungen führten zu Misstrauen bei den Indigenen.

Die Hopi erließen in den 1920er Jahren ein Fotografier- und Filmverbot für heilige Zeremonien, während die Cochiti ihre Rituale bereits seit der spanischen Kolonialisierung im Geheimen abhielten.

Auf den Spuren von Aby Warburg fragt der Autor nach der Lebenswelt der Pueblo-Gesellschaften. Liegt es am unterschiedlichen Verständnis von Wissen, dass die westliche und indigene Kultur bis heute aufeinanderprallen? Geheimhaltung ist für die Pueblo-Gemeinschaften überlebenswichtig. Aber wie soll die im Zeitalter des Internets bestehen?"

Warburg wird in diesem Feature als Eindringling bezeichnet, was in der deutschen Literatur zu Bild und Recht seit 120 Jahren eine Standardformel ist. Das Alter der Formel macht die Formel nicht falsch, relativiert sie nur durch den Zeithorizont und die Umgebung, in der sie Verwendung findet. Waren die Hopi Hut- oder Wutbürger? Ist das Verbot von Fotografien rechtmäßig? Ist die Behauptung, dass Warburgs Fotos einen Anteil an späteren Verbten haben, vergleichbar mit der Behauptung, der Bismarckfall habe zum Recht am eigenen Bild geführt? Fragen über Fragen, die Grenzobjekte liegen auf der Straße.

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